Das Thermometer soll fallen: da schlafe ich doch erst mal aus. 90 Kilometer mit Rückenwind, das schaffe ich doch mit links.
Ganz so war es dann doch nicht. Das fehlende Frühstück haut dann doch etwas in den Magen. Aber erst nach 70 Kilometern. Bin also schon fast da. Ich habe mich in einem Restaurant breit gemacht. Von meinem Platz aus habe ich Blick auf die Eingangstür und dahinter auf mein Fahrrad. Sicher ist sicher. Der Kellner drängelt trotzdem, dass ich fertig werde. Ich frage mich, ob das vielleicht gar nicht so gemeint ist. Kellner finde ich auch etwas zu hoch gestochen, er ist ein Junge, vielleicht schon Student. Er guckt mürrisch aus der Wäsche und wenn er mich alle fünf Minuten fragt: „Everythings okay, Sir?“ komme ich mir alt vor, was mich wiederum widerwillig ins Elternich schlüpfen lässt und ihn zurechtweisen möchte. Ich bezahl einfach nicht, so lange muss ich dann ja wohl noch hier sitzen, da kann er noch so oft vorbei kommen und auf den Bon gucken, ob da schon Geld bei ist.
Egal! Die Kilometer laufen zunächst recht flüssig vom Rad und ich kann über weite Strecken die Gedanken etwas streifen lassen. North Carolina ist einer der wenigen Staaten, in denen Radfahrer Helmpflicht haben. Das heißt im Moment, dass ich kalte Ohren kriegen werde. An der Grenze von Virginia zu North Carolina (gestern) hatte ich fast ein wenig das Gefühl, von Deutschland nach Dänemark einzureisen. Es war der erste Staatswechsel hier in den Staaten, der von einem großen Schild angekündigt wurde. Der kleine Fluss, der die Grenze sein soll, ist so ausgefranst an den Ufern, dass ich mich frage, wo denn hier zwischen den Adern genau die Grenze ist. Die haben hier so viel Land, dass das wohl egal ist. Dann folgen die vielen Hinweisschilder, wie in Dänemark, auf die besonderen Verkehrsregeln in North Carolina: „Riders wear helmets“
Das Streifen-lassen der Gedanken lässt ein paar Besonderheiten in den Vordergrund treten. Ich sehe ja den ganzen Tag auf diese Wälder, durch die die Straßen führen, und habe noch nicht ein einziges Foto davon gemacht. Ich möchte ja ein Bild von diesem Land liefern, wie ich es wirklich erlebt habe. Welche Bedeutung haben da die besonderen Dinge am Wegesrand? Ich starre heute den ganzen Tag auf Wälder. Drei kleine Siedlungen, eine Ansammlung von Häusern, die man hier vielleicht Stadt nennen könnte. Eigentlich ganz schön hier, wenn es nicht so kalt wäre. In New York erinnere ich mich, musste ich die Jacke öffnen, weil es so warm war. Ich denke einfach an Los Angeles und träume mich in wärmere Gefilde.
Ich denke in Fünf-Kilometer-Schritten, das ist meine Einheit. Fünf Kilometer dauern etwa … Ich weiß es gar nicht. Aber auf jeden Fall gehen sie in angemessener Zeit rum und ich freue mich ich über die Fortschritte. Dann fallen mir auch die Briefkästen am Wegesrand auf. Warum stehen hier so viele rum? Ich sehe nur ein Haus, okay, da hinten zwischen den Bäumen steht noch eines. Die Briefkästen stehen in Pulken an der Straße und werden vom Postboten direkt aus dem Fahrzeug bestückt. Das habe ich schon zu Beginn meiner Radtour beobachten dürfen. Der Fahrer sitzt dazu, wie in England, auf der linken Seite und wo der Beifahrersitz ist, stehen Kisten voller Post.
Ist auch gut, wenn er/sie im Auto sitzen bleiben kann, da muss man sich nicht mit den Hunden abgeben, die hier zunehmend auf die Höfe aufpassen. Meist sind es drei bis vier, die sich verwahrlost draußen aufhalten müssen und eifersüchtig alles, was fremd ist, verscheuchen wollen. Autos scheinen sie zu kennen, aber dieses Ding auf zwei Rädern, das da keuchend den Berg hoch klettert, nicht. Wenn ich auf hundisch auf das Bellen antworten wollte, müsste ich anhalten, will ich aber nicht. Weiterfahren und weggucken, ignorieren, auch wenn es schwer fällt, ich bin der gelassenere von den hier Anwesenden. So antwortet man auf hundisch.
Über mir kreisen die Geier. Schwarze Riesenvögel mit weißen Flügelunterseiten. Ich frage mich immer wieder, ob sie in mir ein zukünftiges Stück Beute sehen. Sie halten Ausschau nach den von Autos erlegten Tieren. Vor Autos scheinen sie keine Angst zu haben, bleiben ganz gelassen am Straßenrand und zerren weiter an den Tieren herum. Nur dieses keuchende Ding auf zwei Rädern kennen sie nicht und halten misstrauisch Abstand, scheinen zu glauben, ich sei der Stärkere und will jetzt diese Beute haben.
Kurz vor Raleigh beginnt es zu schneien und die Hügel fangen an zu nerven, weil ich Hunger habe.
ach jetzt auch noch „unter Geiern“!? hat der wilde Westen schon begonnen? Du solltest doch mal über ein zünftiges Frühstück nachdenken…
hier ist es auch kalt geworden, so ist das mit dem mitleiden verständlicher geworden! Und ich hoffe, dass auch schon vor Kalifornien Wärme und Sonne zurückkehren! lg aus Berlin!
Ja Thomas, das Land ist soooo groß und teilweise auch einsam. Ich bewundere dich über deinen Mut.Ich war ja auch schon 3 x dort und die Landschaften sind so verschieden. Im Norden ( Madison) wie bei uns. Arizona hot, Florida wie Spanien. Gibt viel zu sehen.Und immer schön einen Tip hinlegen, wenn du essen gehst. LG Udde
Also allmählich mache ich mir ein bisschen Sorgen ? ich möchte nicht ,dass du doch noch zur Beute für die Geier wirst, weil du verhungert und erfroren am Straßenrand liegst . Bitte eine warme Mahlzeit und Ohrschützer auf !!! Liebe Grüße, Recol.
Danke für deine tollen Berichte!
Jeden Morgen zum Frühstück. Was mach ich bloß wenn Du wieder in Deutschland bist.
Wieviel km bist Du jetzt schon gefahren? Hast Du schon Hornhaut am Po?Für die Geier zu zäh.
Freue mich schon auf den nächsten Bericht.Mach weiter so!Pass weiterhin gut auf Dich auf.
Dazu gehört auch ,immer einen Helm zutragen.
Helmut u Hanne
Hallo mein Großer! Es muss doch irgendwo was ordentliches zu Essen geben. In Raleigh gibt es ein großes Einkaufzentrum wie auch in den anderen Orten. Da muss es doch was geben. Oder hast du keine Zeit für dein leibliches Wohl? Und willst bis S F warten. Haben gestern einen Bericht über S F gesehen Dort gab es viel frisches Gemüse, Obst uuund frisches Vollkornbrot. Die waren ganz stolz darauf. Kann mir einfach nicht vorstellen das es unterwegs so was nicht gibt.
Bei den Hunden wäre mein Herz sonst wo hin gerutscht. Die Besitzer in der Gegend haben bestimmt auch bellende Hunde im Schrank eingeschlossen.
Über die Briefkästen habe ich mich auch schon amüsiert. Kann man ja alles per Satellit sehen und auch die Straße die du evtl. gefahren bist. Fahre weiterhin vorsichtig auf den Straßen wenn du deine Gedanken und Blicke wandern lässt. So jetzt habe ich wieder einen Roman geschrieben .Vielleicht zur Belustigung anderer, für dich evtl. zum Schmunzeln und aufheitern.
Weiterhin gute Fahrt bei nicht allzu großer Kälte und denke daran, die Geier haben genug zu fressen. M
Wir sollen auch schöne Grüße von Inge und Jürgen bestellen, nach Gesprächen über deine Tour, die haben ja keinen PC!!
Deine Berichterstattung ist Super!!! Jetzt kannst du auch sagen ich war unter Geiern. Gruß V.