Die letzten Kilometer nach Ash Fork geht es steil bergab und in Ash Fork komme ich in der amerikanischen Provinz an.
Ich hatte gesagt, dass ich um 17:00 Uhr in Ash Fork bin, hatte aber nicht gewusst, dass es von Williams die ganze Zeit bergab geht. Zehn Kilometer lang geht es mit 6 % Gefälle mit über 50 km/h runter in ein Tal nach Ash Fork. Bei etwa 55 km/h frage ich mich, warum mein Rad schon die ganze Zeit heute so am rumeiern ist und ein sehr kurzer Blick zu meinem Gepäckträger offenbart das Problem: Eine Schraube, die ihn am rechten Ausfallende befestigen soll, ist weg. Also bremsen, anhalten, Gepäck komplett runter, Werkzeugkasten aus der Tiefe der Fahrradtasche hervorkramen, neue Schraube anbauen und den Motorradfahrer beruhigen, der anhielt, um nach dem Rechten zu sehen. Die restlichen Kilometer schaffe ich es ´nur´ auf um die 25 km/h. So kommt es, dass ich bereits um 16:00 Uhr bei Karen auftauche.
Karen wohnt zehn Kilometer von der I 40 im Landesinneren und das ist schon eine andere Welt: Internet gibt es hier nur über Satellit, was schon auf die Geschwindigkeit drückt und da ich mich dem Andreasgraben nähere, ist die Erde so in Bewegung, dass es nicht möglich ist, einen eigenen Brunnen zu setzen. Wasser gibt es an der Oberfläche nicht und ein Brunnen kostet etwa 20.000,-$, der dann aber auch nur etwa fünf Jahre betrieben werden kann; dann haben die vielen kleinen Erdbeben spätestens die Rohre zerstört. Also setzt die Gemeinde alle paar Jahre neue Brunnen und die Haushalte lassen sich ihr Wasser mit Tankwagen anliefern und in große Zisternen abfüllen. Karens 5-m3-Zisterne fasst Wasser für etwa sechs Wochen. Ich trinke das Wasser zunächst und bin, nachdem ich diese Fakten erhalte, doch etwas zurückhaltender. Sechs Wochen altes Wasser trinken?
Karen ist ganz unkompliziert und kündigt Nudeln mit Meatballs zum Abendessen an. Die Fertiggerichte sind ganz schnell in der Mikrowelle aufgewärmt, auf einem Pappteller angerichtet und serviert. Das Wasser gibt es aus Pappbechern und auch das Plastikgeschirr bewahrt sie davor, Abwasch zu haben. Sie lädt mich ein, mit ihr Fern zu sehen. Es gibt eine Tätoviersendung: Wer ist der beste Tätovierer! Später meint sie, mir etwas Besonderes bieten zu wollen und schaltet zu Jurassic Park um. Ich beschäftige mich parallel damit, ihre Hunde zu zeichnen. Sie hat zwei Möpse, zwei Kanarienvögel, einen Papagei und eine Katze. Die Katze bekomme ich aber trotz meiner Bitten nicht zu sehen. Sie weigert sich standhaft, sie aus dem ´Isolierzimmer´ zu lassen. In ihrer Wohnung herrscht ein eigenartiger Gestank, obwohl es ganz und gar nicht dreckig ist. Ich denke lange über den Geruch nach, der mir irgendwie bekannt vorkommt. Und während ich so darüber nachdenke, schießt es mir durch den Kopf: So riecht es in der Nähe der überfahrenen Stinktiere. Ich hege den Verdacht, dass die Katze gar keine Katze ist; wer Papageien hält, der …
Karen wohnt auf vier Hektar Land. Im Jahre 2000 hat sie als Investment hier 2 Hektar gekauft und wollte diese 2012 wieder verkaufen, als sie in Rente gegangen ist. Dann wurde aber auch das Nachbargrundstück mit dem Haus, in dem sie jetzt wohnt, zum Kauf angeboten und sie konnte nicht widerstehen; es war so günstig. Als ehemalige Parkrangerin kann sie nicht widerstehen und erklärt anhand der beiden Grundstücke den Unterschied in der Bewirtschaftung von Naturparks und Wohngebiet. Im Wohngebiet muss man die Zypressenbüsche im unteren Meter frei schneiden und junge Büsche immer ausreißen. Auf diese Weise fangen die Büsche kein Feuer, wenn ein Grasbrand entsteht und das Haus ist nicht in Gefahr. In den naturbelassenen Flächen beseitigt das Feuer die jungen Büsche und die großen Büsche fangen Feuer, sehen dann schrecklich aus, treiben aber wieder aus oder eben nicht, dann haben die kleinen Büsche die Möglichkeit schneller hoch zu kommen und die Lücke zu schließen.
Es ist irgendwie entspannend, mal vor der Glotze zu hängen und mit jemandem zu sein, der nicht über Politik und andere tiefgreifende Themen sprechen will. Sie hält nicht lange durch und um 21:30 Uhr liege ich schon im Bett und schlafe wenige Minuten später in dieser herrlichen Ruhe.
Heute entere ich nach Ash Fork noch einemal die I 40 und nehme gleich die nächste Ausfahrt. Wenn ich alles richtig überblicke, dann habe ich die I 40 jetzt das letzte Mal befahren. Bei Needles werde ich sie wohl noch mal zu Gesicht bekommen, aber das war es dann. Endlich weg von den lauten LKW´s.
Mit Seligman erreiche ich einen Ort, der seine ganze Existenz voll auf dem Mythos Route 66 aufgebaut hat.
Hier noch ein Link zu NDR 1 Welle Nord. Ein Beitrag über mich:
Ja das war sehr cool, Stenzels neben Jürgen und dir im Radio zu hören…. und einfache Leute können anscheinend auch mal sehr entspannend sein. Wenn das nur dem St. Andreasgraben nicht wäre – hatte sich ich total verdrängt. Ob ich da wohnen würde wollen? Weiterhin gute Fahrt und zeig die Schrauben noch mal nach ?
Hallo Thomas!
Haben gestern Abend deinen Beitrag auf NDR gehört.Warum wurde nicht erwähnt für welchen
guten Zweck Du durch Amerika fährst? Vielleicht würde es so manchem Leser leichter fallen,1Euro
zu spenden.Das dürfte doch nicht weh tun.
Meinst Du deine Gastgeberin hält sich ein Stinktier? Das wäre ja eklig. Pappgeschirr geht ja gar nicht.
Denkt in Amerika keiner an die Umwelt?
Weiterhin gute Fahrt .Wir freuen uns schon auf deinen Vortrag.
L.G.helmut u hanne
Hallo Thomas, wie ich lese bist du jetzt ein Seligman! an der Route 66. Der Bericht im Radio aus Hennstedt über dein Wirken war toll, und wie Wolfgang schon schreibt, mach ab und zu mal eine Inspektion an deinem Untersatz, damit du die Fahrt auch zu Ende bringen kannst.
a.L.M+V