Cedartown – Gadsden – Cullman

Ich bin echt froh, dass ich aus diesem Motel weg kann. Um 8:00 Uhr bin ich schon wieder auf der Straße. Nachts bin ich wach geworden und höre über mir ein kratzendes Geräusch. Verdammt, wo ist dieser Lichtschalter, ein klitzekleiner Drehschalter an der Lampe, einen Meter vom Bett entfernt. Ich lehne mich aus dem Bett, verharre, das Geräusch ist weg. In dem Moment, wo ich drohe, das Gleichgewicht zu verlieren, ist das Kratzen wieder über mir zu hören, ich greife nach der Lampe, halte mich an ihr fest und hoffe, sie hält. Endlich ist das Licht an und ich kann die Zimmerdecke sehen. Nichts! Aber das kratzende Geräusch. Ich stell mich auf’s Bett und haue einmal gegen die Decke, tippelnd entfernt sich das etwas da über mir in Richtung Badezimmer. Es fällt mir schwer, wieder einzuschlafen.

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Von Cedartown geht es erst mal wieder auf den Silver Comet Trail, der an der Grenze zu Alabama den Namen wechselt. Hier heißt er dann Chief Ladiga Trail. Nach den letzten Metern vor Cedartown, wo es doch ziemlich auf und ab ging, verläuft er jetzt wieder ganz bequem auf einem alten Bahndamm durch Wälder und Täler. Ich sehe zahlreiche Gruppen von Truthähnen und werde von einem permanenten Quaken der Frösche begleitet. Nach dreißig Kilometern reißt plötzlich der Himmel auf und ich kann erkennen, dass ich in einem Tal stehe, das von fast richtigen Bergen umgeben ist. Entlang eines Flusses führt der Weg durch ein enger werdendes Tal in eine Ebene hinaus.

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Nach vierzig Kilometern verlasse ich den Trail in Piedmont und wechsle auf den Highway 278, der mich nun die nächsten vier Tage begleiten wird. In Alabama bin ich in einer neuen Zeitzone und habe dadurch eine Stunde gewonnen. Auf diese Weise bin ich bereits 13:15 in Gadsden angekommen. Eine innere Stimme sagt mir, dass ich erst um 17:00 Uhr bei meinen Gastgebern auftauchen soll. So suche ich mir zwei Kilometer vor dem Ziel einen Fastfoodladen und arbeite an meinen weiteren Etappen, was dringend notwendig ist, da ich ab Memphis noch nichts weiter organisiert habe.

Um 17:00 Uhr schlage ich dann bei Linda und Tony auf. Linda besteht darauf, dass Tony einen anderen Nachnamen hat. Insgesamt gehen sie sehr lieblos miteinander um. Tony muss dann noch mal los, weil sein Sohn, mit dem er ein Abschleppunternehmen betreibt, ein Problem mit dem Abschleppwagen hat.

Linda gestaltet das Gespräch. Sie fragt mich Sachen und wenn es ihr nicht zu passen scheint, dann wechselt sie einfach abrupt das Thema. So abrupt, dass ich manchmal fast fassungslos bin. Ich empfinde es ein wenig als dreist. Sie erzählt von ihrer Religion, der Missionsreise nach Sambia und ihren drei adoptierten Kindern. Das hat gut eineinhalb Stunden gedauert und langsam beschleicht mich das Gefühl, dass ich mich hier nicht ganz wohl fühle. Nach dem Abendessen geht sie mit ihrem Hund raus und ich quäle mich durch einen Smalltalk mit Tony. Immerhin habe ich bei ihm das Gefühl, dass er mir von etwas erzählt, das ihn wirklich interessiert: Seine Modelleisenbahn.

Um neun Uhr bin ich so müde, das ich mich ins Bett zurück ziehe und schlafe.

Um 7:00 Uhr heute morgen bin ich wach, habe bis 8:30 Uhr gefrühstückt und meine Sachen gepackt, mein Handy vergessen, noch mal zurückgefahren und mich dann endlich auf den Weg gemacht.

Sturm wurde gestern schon angekündigt. Südlich von Atlanta bis zum Golf von Mexiko herrscht hohes Tornadorisiko. Mir weht nur heftiger Wind entgegen. Im besseren Fall kommt er von der Seite und ich stelle fest, dass ich mich dann richtig in den Wind lege, um nicht umgeworfen zu werden. Das ist gar nicht so ohne, wenn nämlich ein LKW an mir vorbei fährt, dann reißt dieser Seitenwind ab und ich muss etwa dreißig bis vierzig Zentimeter in Richtung des LKW´s gegenlenken, was mich mehr als einmal ins Schwitzen brachte. Der Regen dazu … Alles nicht so prall, anstrengend! Ich brauche mindestens 6 km/h um einigermaßen geradeaus zu fahren, was am Hang mehr als einmal unterboten wird. Ich hoffe dann auf Auto- und LKW-Fahrer, die wissen, dass Fahrräder dann ordentlich ins Schlingern geraten können.

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Bei Kilometer 55 gebe ich auf, lasse mich vor ein Café rollen, schiebe mein Fahrrad unter die Veranda, drehe mich um und sehe wie innerhalb von Sekunden ein Platzregen anfängt.

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9 Replies to “Cedartown – Gadsden – Cullman”

  1. hanne hartung

    Schade das Du kein Rückenwind hattest aber schöne Bilder hast Du wieder gemacht.
    L.G.hanne u.helmut

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  2. Werner Jürs

    Das war ja wirklich ein bescheidener Tag. Kommen bestimmt wieder bessere und auch neue freundliche Gastgeber. Sag mal, die Käfer die am Rand stehen, sind die auch für den Abgasskandal verantwortlich? Wünsche dir eine gute Weiterreise und bleib gesund. Meide, wenn es geht, die Tornados. Sah schlimm aus in den Nachrichten. So. und nun gute Nacht. M

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  3. Wolfgang

    nee nee nee! wawo waren tanzen! aber nun noch mein Senf….

    Der VW 1600 erinnert mich sehr an meine Kindheit! Und das waren alles keine Diesel!! Hatten aber immer ordentlichen Durst. ??

    Ich hatte ja den Alligator unterm Dach vermutet, aber der tippelt nicht und wäre wohl auch durchgefallen. oder du hättest ihn in der Dusche überrascht!

    war das Gürtelrose tot und hat es sich nur vor lachen auf den Rücken geschmissen? ?? oder der Bauch benötigte mal eine Platzregenspülung. Schiff ahoi, gutes Wetter ist in Sicht!

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    1. thomas Post author

      Sag mal Wolfgang, Du als verhinderter Meteorologe kannst mir vielleicht weiterhelfen. Irgendwie hat Google Wind bekommen, dass ich in den USA bin und ich kann auf deutsche Wetterdienstseiten nicht mehr oder nur über aufwendige Umwege zugreifen. Ich habe das Gefühl, dass auf den Amerikanischen Wetterdienstseiten die Windrichtung anders angezeigt wird. Hier scheint der Pfeil in die Richtung zu zeigen, aus der der Wind kommt, in Deutschland zeigt er, was ich logischer finde in die Richtung in die er weht. Entweder ist es dies oder die Amerikanischen Wetterdienste liefern sehr ungenaue Windrichtingsprognosen.

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  4. Jeneane

    Es hat auch in Virginia ganz doll gegossen! Das Wasser vom Potomac lief 3 Blocks hoch in Old Town! Wind, und Donner Wetter! Ich versuche bei dir am Samstag anzurufen ??? Stay safe ???

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