16 Mistley – Darfeld

Wir gingen lange davon aus, dass die Fähre um 7:00 Uhr morgens ablegt (¾ h aufwachen, essen, packen + 1,5 h zur Fähre fahren + ¾ h einchecken = 3 h vorher um 4:00 Uhr aufstehen). Es stellt sich dann aber bei näherer Betrachtung der Reiseunterlagen heraus, dass die Fähre erst um 9:00 Uhr ausläuft. Der Wecker klingelt um 6:00 Uhr, die Sachen sind schnell gepackt, wir schauen uns noch mal das vorbereitete Buffet an. Der Inhaber des Hotels meinte großzügig, wir könnten uns an den Dingen, die dann morgens schon auf dem Tisch stehen einfach bedienen. Das hatte uns natürlich gefreut, mussten jetzt aber feststellen, das nur Müsli da steht, ohne Joghurt ohne Milch ist das natürlich nix. Wir sind ein wenig enttäuscht, bedienen uns in der Bar reichlich beim O-Saft, aus dem Obstkorb hinter dem Tresen verschwindet der letzte Apfel und vier Portionspackungen Nutella nehme ich mit, in der Hoffnung, auf dem Weg noch an einem Bäcker vorbei zu kommen.

Wir kommen zweihundert Meter vor der Fähre tatsächlich an einem Supermarkt vorbei, in dem wir die letzten Pfund ausgeben. Das Nutella vergesse ich später natürlich in der Tasche.

Nach dem Einchecken werden wir aufgefordert uns auf Spur 1 einzufinden. Es die einzige Spur, die im Schatten liegt und so wird es mit der Zeit doch recht kühl. Als ordentliche Deutsche trauen wir uns natürlich nicht die zwanzig Meter zu den anderen Radfahrern vorzudrängeln, die stehen nämlich in der Sonne. Unter den Radlern sind viele Kinder und so spüre ich die Aufregung, die diese in die Gruppe tragen deutlich: Wir fahren mit den Autos zusammen durchs Hafengelände in das dicke Schiff hinein. Man kommt dem Schiff auf diese Weise viel unmittelbarer näher, nicht durch ein Auto geschützt, nicht zu Fuß über eine Gangway, eben so, dass man sich den Kopf beim einsteigen stoßen könnte, wenn die Luke dafür nicht viel zu groß wäre. Der Schritt, bzw. die Fahrt an Bord ist viel mehr mit dem Übergang von Land aufs Wasser verbunden. Den Kindern ist das glaube ich viel bewusster.

An Bord gehören wir mit zu den ersten, die sich entscheiden im freien Wartebereich auf Deck 9 einen Fensterplatz zu okkupieren und diesen auch bis zum Ende der Fahrt nicht mehr aufzugeben. Es stellt sich ein paar Stunden später raus, dass es draußen an Deck viel wärmer ist, doch wie es die Natur des Wetter ist, man weiß nie ganz genau, wann sich das wieder ändert. Nach dem Ablegen, werden die freien Kabinen für wenig Geld unter die Leute gebracht, eine zwei-Bett Innenkabine ist für 35,- € und die Käpitäns-Suite für 175,- € zusätzlich zu haben. Die letztere nur für die schnell entschlossenen, den die sind schon bald ausgebucht.

Anders als auf der Anreise nach England, ist es hier in im öffentlichen Bereich gestattet, seine selbst mitgebrachten Lebensmittel zu verzehren. Am 09.08. war dies nur auf den Kabinen gestattet. Wir genehmigen uns jetzt zügig unser Frühstück; dann ist ausruhen angesagt.

Nach sieben Stunden landen wir in Hoek van Holland: Endlich wieder zu Hause in Europa! Die Einreise dauert nur wenige Minuten: Irgendwie fühle ich mich jetzt wieder freier. Wir waren halt doch auf einer Insel.

Bald wird klar, wie sehr wir uns schon an die Verhältnisse in England gewöhnt hatten, denn die Perfektion, mit der in Holland die Fahrradwege gebaut sind, überfordert mich. In meinem Kopf entsteht die Frage: „Woran merken Sie, dass sie in Holland Rad fahren?“

  • Sie sehen keine Hügel.
  • In der Stadt sind die Fahrradwege rot.
  • Es gibt Fahrradstraßen (Fietspad). Und die von jedem wichtigen Ort zu einem anderen!
  • Es macht Sinn, sich an die Verkehrsregeln zu halten, weil Radfahrer nicht benachteiligt werden.
  • Es gibt Ortsschilder an den Fahrradstraßen.
  • Es gibt bauliche Maßnahmen zur Reduktion der Geschwindigkeit auf Fahrradstraßen.
  • Es gibt massenhaft Radfahrer.

Die letzten 46 Kilometer zum Hotel, können wir dank der erstklassigen Infrastruktur in 2 ¼ Stunden zurücklegen. Das Zimmer ist klein und wir hätten unsere Fahrräder mit aufs Zimmer nehmen dürfen. Wir schließen sie aber an einem Metallpfahl an. Nach der Dusche machen wir uns auf die suche nach etwas Essbarem. Wir entscheiden uns spontan für Currywurst/Pommes, noch ein Blick über die Dünen aufs Meer und dann ab ins Bett.

55 Kilometer liegen noch vor uns. Wir beschließen um 8:00 Uhr zu Frühstücken und dann los zu radeln, mit dem Erfolg, dass wir schon um 12:45 Uhr in Amsterdam vor der Centraal Station stehen. Dabei hatten wir uns Zeit gelassen und im Vondelpark noch ein Heißgetränk zu uns genommen.

Wir sitzten wie die Obdachlosen auf einer Steinstufe vor einem Schaufenster und warten., Auf dem großen Vorplatz, wo hunderte Leute warten, gibt es keine einzige Sitzgelegenheit. Dies hat wahrscheinlich seinen Grund, macht Amsterdam jedoch nicht einladender und ist unbequem.

Amsterdam war wieder ein Moloch von Fußgängern und Radfahrern. Ab und zu ein Auto, dass sich aus unerfindlichen Gründen in die Innenstadt gewagt hat. Ich werde wohl nie den Gesichtsausdruck eines Änglanders vergessen: Er saß in seinem großen Volvo, stand, bzw rollte langsam, auf einer Kreuzung umgeben von Fußgängern und Radfahrern und suchte allem Anschein nach nach einem Ausweg. Nur die Frage wohin kann ich, schien Bedeutung zu haben. Gerade noch rechtzeitig sah er nach vorn und konnte auf die Bremse treten. Dann stand er da mit seinem Rechtsgelenkten Auto und hatte die Panik im Gesicht.

Diese Quirligkeit kann etwas bedrohliches haben. Auch mich hat sie diesmal eher gestresst. Hingeben muss man sich ihr, ausweichen und sein Ziel im Auge behalten.

Wir sitzen eine halbe Stunde auf dem Vorplatz des Bahnhofes als Jürgen eine Nachricht von der Bahn.App erhält: `Halt entfällt´steht da für unsere Zugverbindung. Was das heißt, erfährt Jürgen am Schalter, den er sofort aufsucht, das schlimmste befürchtend. Unser Zug erreicht Amsterdam aus unbekannten Gründen nicht, fuhr nur nach Amersfort. Unser Zug nach Amersfort fährt in einer ¼ Stunde von Gleis 11b ab. Sachen packen und los.

Wir sind natürlich nicht die einzigen, die jetzt nach Amersfort müssen und so muss der Platz, der normalerweise nur für zwei Räder reicht für vier herhalten. Ein Engländer mit Fahrrad der nach Osnabrück will, heftet sich an unsere Fersen, traut uns dann doch nicht ganz und fragt immer wieder andere Leute, ob er denn hier richtig sei. Am Ende sitzen wir im Zug nach Berlin, den wir in Rheine verlassen.

Der Fahrradhändler bei dem wir Jürgens Fahrrad gekauft haben, wartet auf uns. Er hat eigentlich Betriebsferien, macht aber wegen diesem Garantiefall den Laden noch mal auf: Hut ab und vielen Dank! Da haben wir wohl einen Glücksgriff mit der Wahl des Fachhändlers gemacht.

Das Getriebe ist nach fünf Minuten ausgetauscht, die zwei kaputten Speichen sind auch schnell ausgetauscht, doch das Problem erstaunlicher Weise noch nicht behoben: Kopfkratzen. Auch der Austausch des Schaltgriffes bringt keine Besserung. Dann kann es nur die Getriebehülse sein, stellen wir erstaunt fest. In wie weit die Getriebehülse an den Schaltvorgängen beteiligt ist, versteht keiner von uns aber es scheint so zu sein. Nun gibt es zwei Möglichkeiten: 1. Das gesamte Getriebe umspeichen (dauert etwa eine Stunde), 2. Die kompletten Laufräder wechseln. Rheine Räder entscheidet sich für die zweite Variante und so kommt Jürgen nach 1200 Kilometern zu einem Satz neuer Räder, denn er hat nur welche mit schwarzen Speichen da und es sollten ja beide zusammenpassen.

Mit neuem Getriebe und neuen Rädern machen wir uns auf den Weg. Fünf Kilometer vor dem Ziel werden wir von Theresia abgefangen und gemütlich geht es in den Maykamp.

ENDE

4 Replies to “16 Mistley – Darfeld”

  1. Sven

    Willkommen in der Heimat. Euer Haus erwartet euch, nur die Nachbarn haben sich morgen aus dem Staub gemacht ?
    Jetzt sind die Stenzels erstmal mit Urlaub dran.
    Wir freuen uns auf euch. Bis in einer Woche ?

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    1. jpotthoff

      Nein, Wolfgang, da muss ich dich eines Besseren belehren: man ist in England, verlässt man die Insel, so ist man in Europa. Das zeigen zum Beispiel Hinweise auf den Fähren, wie z.B. „In Europe, drive on the right.“ Sie sind offensichtlich NICHT Teil Europas…

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