Ich mache mich in Arroyo Grande zeitig auf den Weg, weil ich nichts zum Frühstücken habe. Da ich meine Gastgeberin nicht finden kann und sie nicht ans Telefon geht, spreche ich ihr kurzerhand eine Abschiedsnachricht aufs Band. Mein erster Weg führt mich dann in den Supermarkt. An der Kasse treffe ich die Frau wieder, die mich zuvor gebeten hat, ihr zwei Wasserpakete in den Einkaufswagen zu stellen: „Deine Mutter liebt Dich dafür“ ist ihre Art Dankeschön zu sagen.
Sie fängt von ganz alleine an zu erzählen, dass ihr Sohn gerade da sei und er morgen wieder abreisen werde. Sie will ein Abschieds-BBQ veranstalten. Ihr Sohn fährt seit vier Jahren mit dem Fahrrad durch die Weltgeschichte. Sie hat für ihn einen Wohnwagen in den Garten gestellt, damit er immer und jederzeit nach Hause kommen könne. Ihr stehen die Tränen in den Augen; das wirkt alles ein wenig dramatisch.
Sie will wissen, wie ich Amerika finde und die positive Auskunft gefällt ihr. Amerika sei großartig, es helfe so vielen Ländern und sei die stärkste Nation. Amerika beschützt die ganze Welt. Ohne Amerika würde die Welt in Chaos versinken. Mein Schweigen unterbricht sie und jeden Einwand wischt sie mit dem Hinweis auf die deutsche Rettung im zweiten Weltkrieg rigoros weg. Das Amerika in den letzten anderthalb Jahrzehnten den Weltfrieden nicht gerade sicherer gemacht hat, bringt sie noch mehr in Rage. Der Islam sei der größte Feind der Menschheit, der strebe das Weltkalifat an. Der Islam sei nicht fähig zur Demokratie. Ohne die USA werde Europa vom Islam niedergewalzt, aber die USA werden Europa wieder retten, dazu seien Freunde da. Sie gestikuliert wild, die Kassiererin versucht das Gespräch zu unterbinden und meint, sie solle sich dem Bezahlen ihrer Waren widmen. Sie ignoriert das und ich frage mich, ob sie eine Waffe dabei hat. Nachdem sie endlich bezahlt hat und ein Angestellter sie zum Wagen begleitet, ´damit er ihr beim Einladen des Einkaufes helfen kann´, entschuldigt sich die Kassiererin bei mir, diese Leute gebe es leider…
Vor dem Supermarkt wird erst mal gefrühstückt und dann die 45 Kilometer in Angriff genommen. Auf halber Strecke schreit mich plötzlich ein entgegenkommender Radfahrer an, ob ich bei WarmShowers sei. Ich bestätige dies und weitere Fragen von meinem Gegenüber legen den Verdacht nahe, dass er mich kennt. Es stellt sich heraus, dass es David ist, der mir mit seinem Partner Richard engegengefahren kommt. Sie haben gedacht, dass sie mich abfangen, waren aber nicht davon ausgegangen, dass sie mich so früh erreichen; Sie sind doch erst fünfzehn Kilometer gefahren. Das erste Kennenlernen ist sehr herzlich und es fällt schwer, sich wieder von einander zu lösen: Sie wollen noch ein paar Kilometer reißen und ich will noch in den Montagna de Oro State Park, der direkt hinter ihrer Straße anfängt.
Knapp eine Stunde nach dem Treffen habe ich meine Sachen bei ihnen am Haus abgeladen und bin auf dem Weg in den Park. Es geht fast 150 Meter hoch in die ehemaligen Dünen. Ich schließe mein Fahrrad an einem Gatterpahl an und lese mir die Informationstafel durch. Klapperschlangen soll man am besten ignorieren und wenn sie anfangen zu klappern, soll man sich einfach ein wenig zurückziehen, sie verschwinden dann. Auf den Wegen bleiben, auf Zecken aufpassen und was neu ist, ist Gifteiche (poison oak). Der Kontakt mit dieser Pflanze veursacht einen langanhaltenden (14 Tage bis 3 Wochen) Juckreiz und Hautausschlag. Auf meinem Weg zum Strand kann ich die beschriebene Pfanze jedoch nirgends entdecken. Ich stapfe durch den weichen Sand zwischen den Büschen und Blumen. Es ist zum Teil ein wahres Blütenmeer, das sie Natur hier gezaubert hat.
Zwei Stunden verbringe ich am Strand und sammle Muscheln. In den ´Tidepools´zwischen den Felsen, tummeln sich Krebse, Einsiedlerkrebse und zum Teil Seeanemonen. Drei Surfer, die mich misstrauisch beäugen und wohl ihre Ruhe haben wollen, sind die einzigen Menschen, die ich hier antreffe, ein ganzer Strand nur für mich alleine.
Wieder am Haus von David und Richard, komme ich nicht mehr aus der Konversation heraus. Beide sind bereits in Rente und nutzen die Zeit, um so viel und so oft wie möglich zu verreisen. Sie haben noch ein Haus direkt am Yosemite National Park und ich bekomme eine Diashow nach der anderen geliefert, von Orten, die sie schon besucht haben: Mexiko, Island, Galapagos Inseln, … Besonders gerne unternehmen sie Kreuzfahrten. David war Lehrer und Richard Psychiatrie-Pfleger; das kommt mir irgendwie bekannt vor. David nennt Richard ´Peter Pan´, weil der nie erwachsen werden will. Normalerweise redet David, wenn Richard jedoch mal redet, dann schimpft er auf Politiker und besonders Donald Trump und Ted Cruz und die fehlende Krankenversicherung und überhaupt die USA. Viel zu spät komme ich ins Bett.
Am nächsten Morgen geht die Konversation weiter und weil man nicht aufhören kann zu reden, komme ich erst um 10:00 Uhr auf die Straße. Am Supermarkt treffe ich dann auf Petra, die auf Lutz wartet, der gerade einkaufen ist. Sie passt auf die Fahrräder auf. Sie sind in Portland gestartet und wollen bis LA. Sie ist Tschechin und arbeitet in Zürich für Swiss Air. Es dauert eine geschlagene halbe Stunde, bis Lutz aus dem Laden kommt und dann noch mal eine halbe Stunde, bis wir uns voneinander verabschieden können. Um elf Uhr bin ich dann endlich unterweg nach Plasket, was mein heutiges Ziel ist. Ich hatte erst überlagt, ob ich nicht ein zwei Campingplätze weiter fahre, aber die späte Abreise macht mir da einen Strich durch die Rechnung. Hearst Castle lasse ich links liegen; keine Zeit für eine zwei-Stunden-Führung. Bei den Seeelefanten muss ich aber eine viertel Stunde zuschauen. Die Männchen sind von den Weibchen vertrieben worden, die jetzt mit ihren Jungen, die den ersten Fellwechsel durchmachen, am Strand liegen. Vor wenigen Jahren, waren bis auf etwa hundert Stück dieser Tiere alle gejagt worden. Das Schutzprogramm zeigt dieses Jahr jedoch außerordentliche Wirkung, tausende Seeelefanten haben sich an diesem Küstenabschnitt eingefunden, so dass alle Strände, an denen sie auftreten, gesperrt wurden, was wiederum nicht alle Amerikaner toll finden, da sie in ihrer Freiheit, einen Strand aufzusuchen, beschnitten werden.
Draußen auf See lässt sich übrigens auch ein Seeotter ausmachen.
Bald darauf geht es in den Big Sur. Berge treffen auf den Ozean und entlang dieser Linie ist eine Straße gebaut, die sich bis auf 250 Meter Höhe hinaufwindet, um dann wieder bis ans Wasser runter zu gehen. Im Nachhinein bin ich froh, dass mir das Höhenprofil meines Programmes, mit dem ich meine Strecken im Navi verwalte, einen komplett falschen Eindruck vermittelt hat: Zwei hohe Berge und der Rest relativ eben. Es geht ununterbrochen hundert Meter steil hoch, hundert Meter steil runter.
Ziemlich fertig komme ich um 18:00 Uhr am Campingplatz in Plasket an. Mein Versuch, herauszufinden, wieviel ich bezahlen muss, verläuft im Sande, weil die ´Hosts´ nicht auffindbar sind. Susan spricht mich dann an, ihr Platz ist die Nummer 27 und da ist genug Raum für ein Zelt, die Gebühr sei schließlich für zwei Unterkünfte und drei Leute, da passe ich mit rein. Pat und Susan haben sich ein Campmobil bauen lassen, ein ganz kleines sechs-Quadratmeter-Hüttchen, das man auf den Pickup setzen kann. Damit reisen sie nun jeden Winter in die wärmeren Gefilde der Saaten und wenn das zu langweilig wird, fliegen sie einmal im Jahr woanders hin: Island, Indien, Europa, … Den Sommer sind sie dann in Colorado in ihrem Zuhause und lassen es sich dort gut gehen.
Susan hat etwas mütterliches und sie beschließt, dass ich mit ihnen zu Abend essen werde. Es tut so gut, wenn sich nach einem anstrengendm Tag jemand um einen kümmert. Wir sind uns sofort sympatisch und so werden viele Geschichten und Einladungen ausgetauscht.
Am Morgen geht der erste Regenschauer über dem Zelt nieder. Während ich bei Susan und Pat im Camper sitze, kommt der zweite. Ich packe das nasse Zelt ein und mache mich auf den Weg. Die Regenschauer kommen in immer kürzeren Abständen und immer heftiger. Erst nachmittags werde ich gewahr, dass ich die nicht wasserdichte Tasche vergessen habe, abzudecken. Die Radreisenden werden immer zahlreicher. Ein Pärchen erzählt mir, dass sie in Monterrey auf dem kostenlosen Campingplatz übernachtet haben, den man sich mit Obdachlosen teilt. Ich fühle mich schlecht, dass ich entscheide, dort nicht zu übernachten und stattdessen 25 Kilometer weiter zu einem nicht kostenfreien Campingplatz zu fahren, aber ich weiß, dass ich dort nicht werde schlafen können.
Draußen auf dem Meer gibt es einen schwarzen Fleck und eine kleine Dampfwolke und der schwarze Fleck ist wieder weg. Ich beobachte das ein wenig: Wale. Zwei Erwachsene und ein Jungtier. Ich habe noch nie Wale gesehen und bin wie berauscht von dem Anblick.
Hallo Thomas!
Du brauchst kein schlechtes Gewissen zu haben.Auf dem Campingplatz würde ich kein Auge zu
machen können.Es ist interessant was Du für Menschen triffst.Wenn alle deine Einladungen
annehmen,müsst ihr noch anbauen.
L.G.helmut u hanne
Hallo Thomas!
Schön das du immer wider nette Leute, die dich aufmuntern, triffst.
Die Frau an der Kasse, egal wie sie denkt, vermisst ihren Sohn bestimmt. Ist wie Heimweh.
Ich hätte gedacht, die Straßen gehen höher ins Gebirge rauf. Was machen die Autofahrer, wenn sie hinter dir sind und nicht überholen können weil Gegenverkehr ist. Denn die Seitenstreifen scheinen rar zu sein. VLGM+V
m.H.n. (mit Heute noch) 8 Tage!
Gruß V
Hallo die Bilder sind trotz Nachtrag gut angekommen!
Gruß V