Tucumcari – La Garita

Die Landschaft ist der Wahnsinn, das Wetter die Vollkatastrophe. Im Fernsehen hatten sie für heute stürmisches Wetter angesagt und das habe ich auch bekommen. Mit 58 km/h (laut Wetterbericht) kommt der Wind aus Südwest bis West, also mir voll entgegen. Die Sonne heizt unerbittlich auf 30°C und es geht bergauf. Ich entere die Straße um 8:30 Uhr und und schon gleich nach dem Ortsausgang weiß ich, wie sehr Häuser den Wind abhalten können. Ab da an geht es nur noch mit 10 – 12 km/h voran. Jeden Meter muss man sich erkämpfen und wenn es bergauf geht, dann werden es schon mal 7 – 8 km/h. Ich versuche, meine Gedanken auszuschalten und einfach stupide zu fahren. Der Schweiß auf der Haut verdampft sofort. Als ich nach sechzig Kilometern meine Lippen neu einfetten muss, komme ich aus Versehen an die Handoberfläche: Sie fühlt sich wie Sandpapier an von den Salzkristallen, die sich aus dem Schweiß gebildet haben.

Wasser schmeckt so köstlich, wenn man so richtig durstig ist und ich stelle fest, dass ich ruhig noch drei Liter mehr hätte mitnehmen können. Unterwegs gibt es nicht eine Einkaufsmöglichkeit. Das ist hier in etwa so, als wenn man in Hennstedt wohnen würde und der nächste Laden in Flensburg ist.

In der Ferne sieht man kleine Windhosen, die Sand vom Boden aufwirbeln und zwischen den niedrigen Büschen und Kakteen entlang fahren. Ein Roadrunner biegt auf die Straße ein und läuft nur wenige Meter vor mir her, dann begreift er wohl, dass ich kein Gegner für ihn bin und ist wieder im Busch verschwunden. Antilopenähnliches Wild steht am Wegesrand und eine kleine Pferdefamilie folgt mir ein Stück. Und auf der Hälfte des Weges zwischen Tucumcari und Las Vegas (NM) steht dann plötzlich ein Weihnachtsbaum am Wegesrand. Daran, dass ich total gerührt davon bin, merke ich, dass ich am Ende meiner Kräfte bin.

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Meine Beine werden immer lahmer und ich nutze immer mehr Pausen. Nach neunzig Kilometern fängt mein Zahnfleisch an zu prickeln – ein untrügliches Zeichen dafür, dass mein Blutdruck zu sinken beginnt. Ich bin am Ende. Um die nächste Wegbiegung noch und dann sehe ich eine verstreute Ansammlung von etwa zehn Häusern. Vor dem, das aussieht wie ein Betriebshof, bleibe ich einfach stehen: „No Trespas: Who enters will be shot, Who survives will be shot again“ steht auf einem Schild. Der Hund da bellt beharrlich vor sich hin, solange ich hier bleibe. Ich bleibe einfach hier, da wird schon irgendwann einer kommen. Nach vielleicht fünfzehn Minuten kommt ein Mann auf mich zu, der sehr nett wirkt. Ich frage ihn nach einem Platz, wo ich mein Zelt aufstellen kann. Er deutet etwa zweihundert Meter weiter: “ An der Post, da hast Du auch freien Internetzugang. Dann will er aber noch wissen, woher ich komme und wohin ich will. „Scheiß Wind“ sagt er dann noch. Sollte er morgen nach Las Vegas (NM) fahren, werde er mich und mein Fahrrad auf seinen Truck laden und mich in die  Berge hoch fahren. Auf den nächsten dreißig Kilometern, gehe es nämlich über 600 Meter hoch.

An der Poststation erprobe ich erst mal das Internet. Dazu baue ich mir aus einem herumliegenden Hochblockstein einen Stuhl, den ich im Windschatten des Gebäudes aufstelle. Später stelle ich fest, dass das Postoffice einen Vorraum hat, der offen steht. Wahrscheinlich, damit jeder an die Postfächer heran kommt. Ich nutze die offen stehende Tür auf jeden Fall, um ein paar Stunden vor dem Wind geschützt zu sein.

Und jetzt gerade geschehen, während ich gerade darüber nachdenke, ob ich nicht einfach im Postoffice schlafe und ich diesen Gedanken schon fast verworfen habe, hält ein Auto vor dem Postamt. Die Dame im Auto steigt nicht aus, hat wahrscheinlich Angst vor dem Typen da drinnen und so winke ich ihr einfach freundlich zu, was den gewünschten Effekt hat, sie steigt aus. Doch sie geht nicht, wie erwartet in den Raum, in dem ich mich befinde, sondern betritt das Postgebäude durch den Nebeneingang. Sie ist also eine Angestellte des US Postal Service. Ich erwarte nun, dass ich bald des Gebäudes verwiesen werde und sammle schon mal meine Sachen zusammen.

Dann hält auch noch der Truck von dem Herren, der mir vorhin den Tipp mit der Post gegeben hat. Er spricht mit der Dame und kommt dann auf mich zu, sie meint wohl, ich sollte bei dem Wind besser in dem Gebäude schlafen. Außerdem würde eh keiner mehr kommen, wenn es dunkel ist: Jippijajajippijippijäh! Ich war sehr skeptisch, ob ein 20,- $ Zelt bei dem Wind da bleibt, wo man es hingestellt hat. Der Mann weist mich dann noch auf eine Wolkenschicht hin, die von Norden auf uns zu kommt: „Das Ende des Windes“, meint er.

Während ich mich gerade häuslich in einer Post einrichte, stelle ich fest, dass die Sonne schon ziemlich tief am Himmel steht und es wohl in einer Stunde schon dunkel ist. Ich suche erfolglos nach einem Lichtschalter und weiß, dass es eine lange Nacht werden wird. Ich spüre schon die Erholung.

4 Replies to “Tucumcari – La Garita”

  1. Recol

    Lieber Thomas, ich bin mal wieder schwer beeindruckt von deinen Erlebnissen, deinem Mut und Durchhaltevermögen. Danke für die tollen Fotos und Berichte. Wünsche dir trotz allem einen erholsamen Schlaf und Kraft für die nächste Etappe. Ich kämpfe noch ein bisschen mit dem Tag/Nacht Rhythmus. Denk an dich – Recol

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  2. hanne hartung

    Hallo Thomas!
    Wir sagen wieder mal danke für deinen Bericht.Tolle Fotos!Jetzt geht es wohl ans Eingemachte.
    Das hört sich sehr abenteuerlich an .weiterhin gutes radeln. Denk an deine Kopfbedeckung und
    immer viel Trinken aber das weißt Du ,ja.
    L.G.helmut u hanne
    P.S. Helmut meint,Du könntest uns etwas Wüstensand mitbringen.

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  3. Werner Jürs

    Hallo Thomas!
    Genauso habe ich (M) die Strecke im Internet gesehen. Wind und Sonne habe ich aber ausgeblendet, und kam sehr gut voran.
    Ist ja cool, das dir die Post als Unterkunft angeboten wurde. Hoffentlich muss du sie nicht mit Krabbelgetier teilen.
    Ich wünsche dir ganz viel Glück, das du über die Berge mit genommen wirst.
    Trinken ist wirklich wichtig. Aber das weißt du ja.
    Gute Fahrt wenig Gegenwind und weiterhin gute Begegnungen!!
    M+V

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  4. Wolfgang

    Käthe Wohlfahrt in der Wüste, na das ist ja mal was!! Und persönlicher Service von der Post – das ist ja auch wie Weihnachten…
    Gut, dass Du das in Bildern dokumentierst, sonst hätte ich schon Befürchtungen, dass Du durch Hitze und Dehydrierung anfängst, zu halluzinieren 🙂
    Ich drücke Dir die Daumen, dass die „Nachbarschaftshilfe“ dich über den Berg bringt, den Las Vegas befindet sich in stolzen 2.000m über NN; das ist schon echte Höhenluft!

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