Selbst zehn Stunden Schlaf können meine Erschöpfung nicht wieder gut machen. Um 6:55 habe ich meine Sachen soweit gepackt, dass ich den Mann, der mir die Postfiliale als Unterkunft organisiert hat, auf der Straße vorbeifahren sehe. Das war meine Mitfahrgelegenheit nach Las Vegas. Ich setze mich schicksalsergeben auf mein Rad und fange an, die Kurbel zu treten. Langsam immer eine Umdrehung nach der anderen fahre ich der großen Steigung entgegen. Mir ist kalt und gleichzeitig schwitze ich, die Beine sind bleischwer. Nach fünfzehn Kilometern weiß ich, dass ich die Strecke nicht schaffen werde. Nach weiteren fünf Kilometern kommt dann das erste Auto vorbei und ich halte den Daumen raus.
Erst fahren sie weiter, meine Schultern fallen runter und ich fühle mich verzweifelt. Dann halten sie doch an und meine Stimmung steigt wieder. ich frage nach einer Mitnahme bis an die obere Kante der Berge auf 2000 Meter Höhe. Sie murmeln etwas von hinten rauf und schon beginne ich, mein Fahrrad auf den Pickup zu verladen, dann will ich einsteigen und begreife, dass auch ich auf die Ladefläche muss. Sie fragen mich, ob es nicht sinnvoller sei, wenn sie mich bis nach las Vegas mitnehmen würden, ich überlege nur kurz und stimme zu.
Na denn mal los. Die erste Hälfte der Fahrt fällt mir auf, wie schön die Landschaft von einem Pickup aus aussieht. Die Berge verlieren ihre Gefährlichkeit und sind majestätisch aufragende Massive. Der Blick zurück in die Tiefe lässt jede Unebenheit, die ich mich eine um die andere hinaufgequält habe, verschwinden. Alles ist eine glatte Ebene. In der gegenüberliegenden Wand ist ein schmaler Feldweg in den Hang gegraben und ich stelle mir Pferde- und Ochsengespanne vor, die vor langer Zeit dort hinaufgefahren sind. In einem Einschnitt sehe ich eine Natural Bridge und ich denke einige Wochen zurück. Ohne Mühen geht es die Berge hinauf und wenn es wieder runter geht, muss ich mir nicht sagen, dass ich das alles wieder hoch muss.
Die zweite Hälfte der Fahrt ist geprägt von Kältegefühl. Auch wenn ich vor Wind sehr geschützt hinter der Fahrerkabine sitze, bläst mir doch ein leichter frischer Wind um die Beine und kühlt mich immer mehr aus. Ach ja, ich habe eine kurze Hose an. „Hoffentlich gibt mir das nicht den Rest“, denke ich.
Ich bin, glaube ich, ein wenig unterkühlt als ich in Las Vegas vorsichtig von der Pritsche klettere. Dafür sind es nur noch 300 Meter zu meinem Dachgeber. Der ist aber noch nicht zu Hause. Ich hatte meine Ankunft für 17:00 Uhr angekündigt und jetzt ist es erst 10:30 Uhr. Ich gehe in die Bücherei, an der ich vorbei gekommen bin. Ich setze mich an einen Arebitsplatz, kriege aber vor Kälte nichts zustande. Unterkünfte suchen? Ich kann mich nicht entscheiden, wen ich anschreibe, mir ist zu kalt.
Nach einer halben Stunde bekomme ich eine Nachricht: Mein Gastgeber ist in einer halben Stunde zu Hause. Ich freue mich auf eine heiße Dusche. Jason wohnt in einem etwa hundert Jahre alten Haus, in dem seine Vermieterin, eine Professorin, Studentenwohnungen eingebaut hat. Für diese Professorin erledigt er Recherchearbeiten und finanziert so seine Miete. Jason hat acht Jahre in einem Buddistischen Kloster in Kalifornien als Koch gelebt und gearbeitet und studiert nun an der Uni Musik, er möchte Komponist werden. Das mit dem Singen hat sich erledigt, nachdem er letztes Jahr eine schlimme Stimmbandentzündung hatte. Drei Monate konnte er nicht sprechen. Seine Eltern können ihn nicht unterstützen und so muss er die 2500,- $ Studiengebühren pro Semester selber zusammenbringen. Er hat ein wenig in seiner Zeit als Koch beiseite gelegt, muss aber noch weiter arbeiten, um das alles zu bezahlen. Seine Wahl fiel auf Las Vegas (NM), weil hier die günstigsten Studiengebühren anfallen.
Nach einem kurzen Imbiss, nimmt er mich mit an die Uni. Heute ist ein Vortragsnachmittag. Studenten spielen vor Publikum eingeübte Stücke vor. es werden insgesamt zwei Lieder am Klavier und ein Gesangstück gegeben. Ich erinnere mich an München, wo Imme mich mit an die Musikhochschule genommen hat, und an die halbe Stunde Musik in der Nicolaikirche in Kiel. Doch ich werde herbe enttäuscht. Die Qualität ist schlecht und das sage ich, der von Musik eigentlich wenig bis keine Ahnung hat. Immer wieder setzen sie früher wieder in das Stück ein und wiederholen, kommen aus dem Takt, verhaspeln sich, drücken zwei Tasten gleichzeitig, … Ich erfahre später, dass dies Studenten waren, die im Tonstudion arbeiten wollen, und von daher Klavierspielen nicht wirklich brauchen. Das hat man gehört.
Jason ist arm, er kann sich kein Internet leisten. Ich nutze die Gelegenheit mit ihm in die Bibliothek zu gehen, wo er vier Stunden in der Woche arbeitet, um das Internet zu nutzen.
Sorry, dass es heute keine Bilder gibt. Aber ich war zu sehr im Eimer. Das Titelbild ist mein Nachtlager im Postoffice, das grüne Licht kommt von der ´EXIT´-Leuchte.
Also jetzt mache ich mir doch ein bisschen Sorgen, bin gleichzeitig froh, dass du die Mitfahrgelegenheit genutzt hast. Bitte achte auf dich. Essen und Trinken nicht vergessen.???! Liebe Grüße Recol.
Ich mache mir keine Sorgen. Das wird schon wieder. Mal hier und da ein Durchhänger auf so einer langen Tour – voll normal!
Ich war heute sehr erstaunt das überhaupt ein Bericht kam und das Du schon in Las Vegas bist.
Die Nacht war sicherlich nicht erholsam.Ich kann mich nur dem Kommentar von Recol
anschließen. Pass auf dich auf und nutze jede Mitfahrgelegenheit egal ob im Auto oder auf der Ladefläche,hauptsache Du kommst heil über die Berge und Gesund nach Hause.
L.G.helmut u hanne
Las Vegas (NM) ist nicht das bunte große in Nevada. Hier in 2.000 m Höhe eine Uni? unglaublich!! Hoffentlich hast du deine langen Hosen nicht zu tief vergraben, schaue gerade aufs Thermometer: -4 Grad C. vom Ofen in den Kühlschrank! Deshalb auch die Skifahrer neulich…
Ich sehe es ähnlich wie Elke! Das war gerade etwas viel und die Wüste ist nicht ohne! Aber die Fastenzeit ist bald vorbei und dann auf zum „dicken Mexikaner“ ?
Ok,Elke und Wolfgang haben wohl Recht.Ich mache mir wohl zu viel Sorgen.Also Thomas,Kopf hoch
da musst Du jetzt durch.Es kommen auch wieder bessere Zeiten.
Hallo Thomas!
Jetzt muss ich noch mal schreiben. V hat alles verschwinden lassen.
Da hast du mal eine neue Reiseerfahrung gemacht. Du musst ja fertig ausgesehen haben. Sonst hätte dein Charme gesiegt und du hättest vorne einsteigen können. Aber nett, das er dich mitgenommen hat. Muss, auch wenn es kalt war, eine tolle Aussicht gewesen sein. Zum Glück fing es nicht an zu regnen.
Ich hoffe, das du jetzt, wo ich hier schreibe, einen guten Schlaf hast und erholt mit warmen Klamotten weiter fahren kannst. Du schaffst das schon. VLGM
Hallo T.
Hier ist der, der alles verschwinden lässt, weil ich zwischendurch mal was im anderen Programm sichten wollte.
Neben den Strapazen die du durchmachst, kannst du jetzt aber sagen „Ich hab die Uni in Las Vegas besucht!“
Erhol dich gut, komm wieder zu Kräften und fahr nicht zu schnell bergab.
L.G.V.