Ich habe einen Kulturschock erlitten.
Doch der Reihe nach:
Die Einreise in die USA war eine nervenaufreibende Sache. Ich muss aber gestehen, dass sie das zu Unrecht ist. Denn im Endeffekt war alles ganz unkompliziert. Die kritische Frage, ob Lufthansa mein Fahrrad mitgenommen hat, wurde erst beim Boarding des Fluges von Frankfurt nach JFK zerstreut, als mein Fahrrad direkt unter meinem Fenster in den Laderaum verfrachtet wurde; ganz vorsichtig vom Bodenpersonal.
Zahlreiche Besonderheiten begleiten den Weg in die USA:
- Um in Hamburg einzuchecken, muss man die Eckdaten des ESTA-Verfahrens erneut eingeben (Grund der Reise, erste Anlaufstelle, …)
- Am Frankfurter Flughafen erfolgt beim Betreten des Abschnitts Z (die Terminals, von denen Flüge in die USA gehen) der erste Kontakt zu einem US-Angestellten, der die Grundlage der Einreise (bei mir das ESTA-Verfahren) und die Gültigkeit des Reisepasses kontrolliert.
- Beim Betreten des Flugzeuges, werden Boardingpass, Reisepass und Person miteinander abgeglichen.
- An Bord ist es nicht erlaubt, mit mehr als 3 Leuten in den Gängen zusammen zu stehen.
- An Bord wird schon die Zollerklärung zum Bearbeiten ausgegeben.
- Im Flughafen wartet man dann etwa eine Stunde, bis man vor einen Beamten der Customs and Border Protection treten darf. Dieser entscheidet dann endgültig über die Einreise. Es werden die Fingerabdrücke und ein Foto genommen.
Auf der einen Seite hört sich das alles ziemlich aufwändig an und hat bei mir einigen Stress verursacht, denn ich vergleiche dies als Europäer mit der Einreise nach Frankreich. Auf der anderen Seite haben die USA ja kein Interesse daran, niemanden mehr in die USA zu lassen. Mir ist nichts passiert, sie haben mich rein gelassen. Trotz allem und auch vor dem Hintergrund der NSA-Affäre gesehen, bleibt das Verfahren dadurch intransparent, da am Ende der Grenzbeamte nach eigenem Gutdünken entscheiden kann, ob man in die Staaten darf oder nicht. Bis zum Betreten der Staaten, das ist auf der anderen Seite seines Pultes, hat man keinen Anspruch auf einen Anwalt oder die Möglicheit einen Widerspruch einzulegen. Ohne die Anerkennung dieses Grundsatzes, bekommt man erst gar keinen Visumsantrag.
Der Grenzbeamte war übriges wirklich sehr nett. Nachdem er rausgefunden hatte, dass ich mit dem Fahrrad von New York nach San Francisco fahren will, hat er mich erst mal fünf Minuten lang in einen Smalltalk verwickelt: Warum, wie lange, wo komme ich unter, wir haben doch so schöne Autos, viel zu anstrengend, … Am Ende wünschte er mir gutes Wetter.
Das Fahrrad lag schon am Gepäckband bereit, ein Sicherheitsangestellter hilft mir beim Manövrieren mit dem sperrigen Ding und fragt, ob ich mein Auto mitgenommen hätte. Der Zollbeamte zieht die Stirn kraus: „Your car?“, „No, my bike.“ Er holt tief Luft und ich merke, er muss eigentlich kontrollieren, hat aber keine Lust auf die Komplikationen und winkt mich durch. In der Ankunftshalle lacht mir eine Sicherheitsbedienstete entgegen: „Did you take your car with you? HAHA.“ Nein, aber wo sie schon so nett ist interviewe ich sie, wie man mit dem Fahrrad von JFK weg kommt. Jeder Deutsche verstand diese Frage: Ich will auf meinen zwei Reifen von diesem Flughafen wegfahren. Hier erzählt mir jeder: Mit dem Airporttrain! Unvorstellbar, Rad zu fahren.
Erst mal in der Ankunftshalle das Fahrrad zusammenbauen, was ich noch hinter der Absperrung tun soll, weil da mehr Platz ist. „Wo bleibe ich mit der Pappe?“, frage ich mich, als ich das Rad aus dem Karton ziehe und schon steht eine kleine (sie reicht mir bis zur Brust) Putzfrau neben mir und will mir den Karton abnehmen. Ich kann ihr gerade noch abringen, ihn in ein handliches Format zu falten. Ich hatte einfach keine Vorstellung, wie diese kleine Frau dieses riesen Ding durch die Gegend kriegen will.
Bis jetzt ist Amerika großartig freundlich.
Raus aus dem Gebäude, Navi an, orientieren. Plötzlich steht ein Polizist neben mir: „Was ich denn vorhabe?“ Kurzes, nettes Gespräch. Ich frage ihn, ob ich von Terminal 8 auf den Expressway (Autobahn: normalerweise erlaubt, außer, wie hier, in Ausnahmefällen) darf? Die Auffahrt ist gleichzeitig die Abfahrt auf den Serviceway, also eigentlich fahre ich dann ja gar nicht auf den Expressway. „Du musst runter sein bevor wir dich sehen und ich habe nichts gesehen.“ Grins. Aha, netter Officer.
Ich entscheide mich dann doch für die Ringbahn bis zu den Carrentals. Die ersten drei Kilometer meiner Radtour fahre ich also Bahn. Ich hoffe, das ist kein schlechtes Zeichen. Von dort aus runter vom Airportgelände und schon befinde ich mich in den Vororten von New York! Ich werde von Unmengen an Eindrücken überflutet: Riesige Gullideckel (Euro-Palettenformat), Einfamilienhäuser mit betonierten Vorgärten, viele viele Schlaglöcher, keine Fahrradwege, Alleen, keine Kleinwagen, breite Straßen, überhaupt, die ganze Optik zwischen Zerfall und nagelneu, Leuchtreklamen, Hochbahn, …
Dann geht vor einem Baumarkt das Navi aus, Batterien leer. Der Security-man besteht darauf, dass ich das Fahrrad in den Eingangsbereich schiebe. Er passt persönlich darauf auf. Im Baumarkt frage ich Agnes danach, wo ich die Batterien finde und Agnes besteht auf die Geschichte (Deutscher fährt von NY nach SF) und darauf, dass ich alle deutschsprachigen Mitarbeiter (drei Stück) persönlich kennenlerne. Krass, wie nett.
Mit wieder funktionierendem Navi geht es jetzt nach Brooklyn. Hier, da sind sich wieder alle Amis einig, darf man auf gar keinenFall(!) nachts alleine mit Fahrrad unterwegs sein. Mein Weg führt mich weitestgehend unter einer Hochbahntrasse entlang Richtung Manhattan. Ich fühle mich wie in einer Filmkulisse, das kommt einem alles vertraut vor.
Die Autofahrer fahren, auch wenn die Amis etwas anderes behaupten, äußerst defensiv. Kaum einer traut sich, mich zu überholen, macht auch keinen Sinn, ich bin mit meinem Fahrrad meist eh viel schneller. Je näher ich der Insel komme, desto mehr Radfahrern begegne ich und jetzt haben die meisten auch Licht. Mehr als ein Mal habe ich mich erschrocken, als ein dunkler Blitz von hinter an mir vorbeirauschte. Wie kann man bei diesem Verkehr nur ohne Licht Radfahren?
Über die Williamsburg Bridge erreiche ich Manhattan.
Von hier habe ich auch den ersten Blick auf die einzigartige Skyline.
Paticia und Axel wohnen in einem Viertel Manhattans, das bis vor fünf Jahren noch ´Little Italy´ genannt wurde. Es hat sich in den letzten Jahren aber so stark gentrifiziert, dass die Mieten so stark gestiegen sind, dass fast alle Alteingesessenen wegziehen mussten. Als Vermieter kann man hier jederzeit die Miete hoch setzen wie man möchte.
Ich werde zum Essen eingeladen und versuche mich an meinem ersten nicht McDo-Burger. Es gibt solche und solche Burger, bekomme ich erklärt. Beim Essen folgen lange Gespräche über Politik in den USA und Europa. Axel ist jetzt US-Bürger und seinen deutschen Pass abgegeben. Er ist schon so lange hier, dass ihm das Wort Bio- nicht geläufig ist und dass er meint, Eier werden in Zwölferpacks verkauft. Ich werde in die ersten Supermärkte geführt, David Bowie wohnte hier direkt um die Ecke, werde auf originelle Geschäft aufmerksam gemacht, …
Zum Schluss schlafe ich nach 24 Stunden wach sein vor dem Fernseher ein: Caucus nennen sich die Vorwahlen der Republikaner und Demokraten, um die Präsidentschaft.
er ist da! Hurra, und nicht radlos ?
Als wenn ich live dabei gewesen wäre! Großartiger Tag für einen großartigen Menschen. Respekt
Schön,das Du mit deinem Rad angekommen bist!
Freue mich auf die nächsten Einträge,gerade spannender als jeder Krimi!
Genieße die Zeit & ja,ich bin ein bischen neidisch auf deinen Mut/Abenteuerlust ?
Der erste Eindruck ist der beste!! Dann kann es ja losgehen!
Mutti und Vati
Großartig Thomas! Ganz viel Glück und Spaß bei deiner Reise!
Was ich erst jetzt bemerke: die Bilder sind nach dem Anklicken in deutlich besserer Auflösung zu sehen! Danke Thomas: großes Kino!
Und schwupp. Nun bist du „drüben“. Und mittendrin im big apple. Wow. Dank deines blogs fieber ich richtig mit. Und bin beim Lesen auch schwupp mit dabei. Thanx!!!
Hallo Thomas!
Herrlich! Mit dem Fahrrad vom JFK los – das nenne ich mal eine Herausforderung, mit der der Pauschaltourist sicherlich überfordert! Sehr schön gelöst!
Ich kann mich nur neidvoll anschließen, ich könnte mir ebenso gut vorstellen dort entlang zu radeln. Witzigerweise waren wir letztes Jahr auch in Brooklyn und haben auch voller Begeisterung solch ein „Film Shoot“-Plaket fotografiert. Ich glaube in Deutschland habe ich so etwas noch nie gesehen 🙂
Gute Weiterfahrt und immer anhalten vor dem Absteigen!
Gruß
Karsten
🙂
Hallo Thomas, bin beeindruckt und begeistert. Wünsche dir weiterhin so positive Erlebnisse. Werde dich von nun an täglich in Gedanken begleiten ? Erwarte mit Spannung deinen nächsten Bericht. Drück dich-Recol
Es soll morgen regnen in New York, hast du dich schon drauf eingestellt? Tröste dich,auf Regen folgt Sonnenschein??
HAMMER!!!! Thomas, das hört sich alles sooooo großartig an und ich bin schon beim Lesen total reizüberflutet . Vielen Dank dafür. Ich wünsche dir weiterhin ganz tolle Eindrücke und freue mich auf mehr….Hab ne tolle Zeit!
Ein toller Bericht!Als wenn man dabei ist.wir freuen uns schon auf den nächsten.
Sehr cool, mit dem Fahrrad durch NY ?
Viel Spaß auf deiner Tour!!!!
Hallo Thomas
Es ist sehr schön die Verfolgung im Netz.Die Bilder und die Beschreibung bisher sehr gut weiter so
und viel Spass bei der Tour
Gruß Reiner