Leo Cabrillo – Ventura

Auf dem Weg aus der Stadt fange ich an, die Autofahrer zu hassen. Andauernd wird man angehupt: Aus dem Weg! Stellenweise gibt es keinen Standstreifen, auf dem man fahren kann, also muss ich wohl oder übel auf die Fahrbahn ausweichen, was nicht gerne gesehen wird. Einmal reicht es mir und ich haue mit der Faust auf die Seitenscheibe des vorbeifahrenden Autos. Das Gesicht des Autofahrers war so wütend, als er sich umgedreht hat und dabei noch mal das Lenkrad verriss. Das habe ich in keiner anderen Stadt erlebt. Nur in LA sind die Autofahrer so unfreundlich und ätzend.

Kurz nach dem Ortsausgang beginnen die Häuser, die den Blick auf den Pazifik versperren. Eines neben dem anderen nur mit einem Meter Abstand dazwischen ist an den Strand gebaut, über Kilometer, bis nach Malibu. Auf dem Weg nach Malibu sieht man so unglaublich viele Luxuswagen und hochpreisige Oldtimer, dass es dekadent wirkt. Ich habe mitgezählt: pro Minute drei Schlitten.

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Kurz vor Malibu überhole ich dann David und Eugene auf ihren Fahrrädern. Sie sind jedoch zu langsam, so dass ich gemütlich weiterfahre. Ich treffe sie später auf dem Campingplatz von Leo Cabrillo wieder und wir kommen ins Gespräch.

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Beide haben sich auf der Uni im Fahrradclub kennengelernt. Bisher sind beide nur Rennrad gefahren. Nun ist ihr Studium zu Ende, wollen noch nicht sofort ins Berufsleben einsteigen und haben sich entschieden, das erste Mal eine Fahrradtour zu machen. Heute ist ihr erster Tag, das vorläufige Ziel Seattle ist in weite Ferne gerückt. Sie sind etwas frustriert, dass sie erst zwei Stunden nach mir im Camp angekommen sind. Eugene plagen andauernd Krämpfe, immer wieder massiert er sich schmerzverzerrt die Beine. Ich frage naiv, wann er das letzte Mal Magnesium genommen hat. Er sieht mich fragend an und ich erkläre ihm, dass Magnesium wahrscheinlich sehr gut helfen wird. Ich verpasse ihm gleich zwei von meinen Tabletten, die ich morgens und abends nehme und schon nach einer halben Stunde fühlt er sich besser und er hat sich vorgenommen so schnell wie möglich Magnesium zu kaufen. Sie wollen wissen, ob ich noch weiter Tips habe: „Kämpfen“, sage ich und nicht aufgeben, früh starten, weil der Wind im Laufe des Tages immer weiter auffrischt und meistens zwischen eins und drei auf West dreht, nach einer Woche das Gepäck durchsehen und überprüfen, was man wirklich braucht, den Rest zurückschicken, Ruhetage einbauen, Müsli zum Frühstück, …

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Ich bin der alte Hase, der es wissen muss, meinen sie. Ich habe es schließlich von New York bis an den Pazifik geschafft. Ja, das habe ich wohl und an ihrer Kondition, sehe ich, wie fit ich in der Zeit wohl auch geworden bin.

Die Nacht im Zelt wird erholsam. Zelten in der Nachbarschaft zu anderen Campern beruhigt mich irgendwie; im Notfall ist immer noch jemand anderes da. So ganz alleine in der Wüste habe ich doch recht schlecht geschlafen, auch ohne Gewittersturm.

Um 6:00 Uhr bin ich wach und um 8:30 Uhr auf der Straße. Nach zwanzig Kilometern steht ein Audi A3 mit deutschem Kennzeichen am gegenüberliegenden Straßenrand. Ein Mann spricht mich an, was ich denn da Schönes gesehen hätte. Ich erkläre ihm, dass ich aus Deutschland bin und das mit dem Kennzeichen eben. Wir kommen ins Gespräch und er beruhigt mich mit dem Wind: Das sind die Santa-Anna-Winde, die für den Raum um LA bei Hochdruckwetterlage bekannt sind. In wenigen Kilometern sind die vorbei, meint er. Und er hat recht. Die letzten zehn Kilometer an diesem Tag fahre ich gegen deutlich weniger Wind an.

Als ich an meinem Ziel ankomme, bin ich doch etwas erschlagen. Zum Einen von den siebzig Höhenmetern auf den sechshundert Metern und zum anderen von dem Ausblick, den das Anwesen über den Pazifik bietet: Unbeschreiblich. Der Blick geht über die Stadt und die Palmen, die aus ihr herausragen, zum zwei Kilometer entfernten Strand, dem blauen Meer und den Inseln am Horizont. Ich werde kurz empfangen und bekomme den Hinweis, dass sich leider keiner um mich kümmern kann und ich mich hier wie zu Hause fühlen soll.

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Ich nutze die Zeit, um die restliche Zeit zu planen.

6 Replies to “Leo Cabrillo – Ventura”

  1. Sven

    Dort würde ich jetzt gerne meinen Hochzeitstag mit Moni verbringen. Obwohl, das Wetter ist hier auch super. Und Wasser gibt’s auf beiden Seiten….?

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  2. Werner Jürs

    Hallo Thomas!
    Die Leute, die da wohnen sind zu beneiden. Aber ob ich mit denen tauschen möchte weiß ich nicht. Die kochen auch nur mit Wasser. Obwohl, Geld beruhigt.
    Hast du vielleicht gesehen, wie einige Häuser vom Wasser aussehen? Die sind auf Betonpfählen vom Land auf den Strand gebaut. Einmal konnte ich die Unterkonstruktion sehen. Sah aus wie eine Holzbrücke von unten. Wenn noch nicht gesehen, solltest du, wenn die Zeit da ist, einmal gucken gehen. Finde es lohnt sich.
    Jetzt suche ich für mich den Unterschied zwischen gemütlich und langsam fahren. Aber daran sieht man, dass du im Training bist. Wenn du zu Hause bist, wird dein Körper bestimmt eine Zeitlang schreien, faaahren.
    So, weiterhin schönes Wetter, gutes fahren ohne blöde Autofahrer und tolle Aussichten.
    V VLG M+V

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  3. Elke

    Und ab jetzt Küste bis S.F., wa? Tolle Strecke! Wenn noch Zeit bleibt: Santa Barbara und Santa Cruz ansehen, und Big Sur zwingt dich ja automatisch zu Stopps an den View Points. Hach! Könnte grad in den Flieger steigen!

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