Philadelphia – Newark (Delaware)

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Robinson (Elli und CJ im Hintergrund)

Es fällt immer schwer, sich von so lieben Gästen zu verabschieden. Es fiel schon schwer, gestern zu Bett zu gehen, weil ich mit Christopher noch ein paar Stunden hätte reden können. Da kommt man von Hölzchen auf Stöckchen.

Er erzählt mir von seiner Arbeit und dem Leben als Psychiater in den USA, von den Schwierigkeiten, die Patienten eine angemessenen Zeitspanne zu behandeln. Üblicherweise verlangen die meisten Krankenversicherungen ab dem fünften Tag täglich einen Nachweis vom Arzt, dass weiterhin eine Behandlung notwendig ist (grässlich viel Schreibkram). Erstaunt hat mich seine Aussage, dass in der Psychiatrie die Ärzte gerne nach Deutschland gucken, um zu sehen, wie wir die Probleme lösen. ich erzähle ihm von PEPP und der Hoffnung, dass wir die nicht bekommen. Die Deutsche Psychiatrie guckt ja gerne anch Dänemark oder in die Schweiz. Hier fällt es den Krankenkassen wohl extrem schwer, psychische Leiden als Krankheit anzuerkennen. Er arbeitet in drei verschiedenen Beschäftigungsmodellen; in den USA ist so etwas ohne Probleme möglich (Leider habe ich die genaue Beschreibung nicht mehr parat, ich war wohl doch schon etwas müde). In Deutschland bin ich mit meinem Studium nebenher schon eine Ausnahme.

Sie holen dann Pizza und Cheesesteak. Cheesesteak ist die Currywurst Philadelphias. Ein weiches Pappbrötchen wird mit Flüssigkäse, Zwiebeln und fein geschnittenem Rindfleisch gefüllt. bei Bedarf kann man sich noch Ketchup drauf tun. Hört sich ekelig und ungesund an, schmeckt aber richtig gut und ist bestimmt nicht gesund.

Christopher schaut sich noch die Route an, die ich heute nach Newark nehmen werde. Und seine Beschreibungen kann ich heute alle nachvollziehen. Nach ein paar Hügeln in Philadelphia, durch nicht ganz so schlechte Wohnviertel, komme ich unten an den Delaware River. Dort biege ich in ein Naturschutzgebiet ab (John Heinz, National Wildlife Refuge) und fahre schließlich kilometerweit über einen Feldweg, da kamen mir 10 km/h richtig schnell vor.

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Es hat geschneit.

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Was man nicht kennt, muss man nicht fürchten: Keine Angst vor Radfahrern.

Ich komme aus dem Schutzgebiet raus und befinde mich an einem vierspurigen Highwaykreuz, fahre durch dieses durch, ohne dass sich einer mokiert und biege in ein Industriegebiet ab. Etwa eine Stunde fahre ich an Raffinerien vorbei, bis sich kleine Reihenhäuser dazwischen mischen: Chester! Traumgebiet für das FBI: Hier erschießen sich die Kriminellen am Tage, abends treffen sich dann die Familien im Krankenhaus und beschränken sich darauf, sich nur noch anzupöbeln. Die Gegend ist wie aus einem amerikanischen Millieufilm. Die Straßen waren hier bestimmt mal komplett mit den eigentlich recht schönen Reihenhäusern aus den 1920er Jahren (zwei Stockwerke, Veranda vor dem Eingang, Flachdach, verzierte Dachsimse) gesäumt. Jetzt stehen sie zum Teil nur noch vereinzelt da, die Hälfte von ihnen unbewohnt, zugenagelt oder in einem erbärmlichen Zustand. Damit nicht alles zugemüllt wird, sind einige leere Parzellen eingezäunt, der Rest ist mit kaputten Möbeln, Autos, Kinderwagen und undefinierbarem Abfall zugestellt. Vereinzelt sieht man auf einer Rasenfläche einen einsamen Schornstein stehen, ein Hinweis darauf, dass da mal ein Haus war.

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Nicht stehen bleiben, weiterfahren sagt Christopher zu mir. Ich beherzige seinen Rat, diese Gegend ist selbt mir zu trostlos. Dabei kann ich dem Verfall, wie er in Venedig in seiner Ästhetik zur Perfektion gebracht wurde, durchaus viel abgewinnen. Doch das hier ist wirklicher.

Dann geht das Wohngebiet wieder in Industriegebiet über und, ohne dass ich es mitbekomme, fahre ich von Pennsylvania nach Delaware. Wie es für einen Muslim Pflicht ist, Mekka zu besuchen, gibt es Amis, die meinen, dass jeder echte Amerikaner jeden der US-Amerikanischen Bundesstaaten einmal in seinem Leben betreten haben sollte. Ich habe jetzt an meinem fünften Tag schon vier Staaten geschafft: New York, New Jersey, Pennsylvania und jetzt Delaware.

Jetzt sitze ich in einem Schnellrestaurant namens „Boston Market“ und nutze das Wifi. Die Kundschaft besteht zu 80% aus stark übergewichtigen Personen. Das erste mal, dass ich dies in solchem Umfang in den Staaten sehe. Ich sollte mich also in acht nehmen vor diesem Essen aber ich habe eher Schwierigkeiten, genug Kalorien zu mir zu nehmen.

5 Replies to “Philadelphia – Newark (Delaware)”

  1. Wolfgang

    also gegen Abmagerung hilft cheesesteak mit Sicherheit!

    und: beautiful World…. ?

    aber pass auf, lieber Thomas! die Staaten werden größer!

    Danke für das Update, sehr informativ!

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  2. Werner Jürs

    Super Thomas jetzt wissen wir wer Robinson ist!! und du wirst sicher nicht zu den 80% zählen!!
    Gruß Vati und Mutti

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  3. Tara

    Oh Boston Market is awful!! I hope you have better luck with your next meal 🙂 it was lovely having you visit!

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  4. Elke

    Ab jetzt live und in Farbe hier dabei! Dank Wolfgangs Hinweis auf dein Blog. War selbst schon häufiger in den USA, allerdings noch nie per Fahrrad unterwegs. Hut ab! Und good luck für die weitere Reise.

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  5. Werner Jürs

    Hallo Thomas! Haben heute versucht deinen Weg nach Chester per Luftaufnahme zu verfolgen. Sind durch den Nationalpark auf die 291 nach Chester gekommen. Wenn du deinen Weg weiter so gut beschreibst, können wir ihn evtl. weiter verfolgen. Gruß Mutti und Vati

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